Ein Baarer engagiert sich für christliche Minderheiten – Zuger Presse

Ein Baarer engagiert sich für christliche Minderheiten
Mit ARAMAIC RELIEF International leistet Severiyos seit fünf Jahren humanitäre Hilfe. Er unterstützt Menschen im Kriegsgebiet, wo es sonst nur wenige tun.
«Es wurde viel zu lange weggeschaut und nichts getan», erklärt Severiyos Aydin die Gründe, weshalb er im Januar 2013 die Organisation Aramaic Relief International ins Leben gerufen hat. Das Hilfswerk unterstützt verfolgte Minderheiten und Menschen in Not in den Krisengebieten in und um Syrien, im Nordirak und im Südsudan (siehe Box). «Christen und Jesiden hatten es in Flüchtlingscamps besonders schwer und wurden oft unterdrückt», erklärt Aydin. Vor fünf Jahren habe er Hilfsorganisationen auf die verfolgten Minderheiten aufmerksam machen wollen – vergeblich. «Mit ‹Aramaic Relief› haben wir in fünf Jahren viel erreicht», so Aydin stolz.

Lebensmitteltransporte, Schulen und Pflegeheime

Bis heute habe man bereits 180 000 Menschen mit Hilfeleistungen erreichen können. «Wir kaufen in sicheren Gebieten Lebensmittel, Hygieneartikel oder Medikamente für die Not leidenden Menschen ein und bringen sie via Kontaktleute in die Gefahrenzonen», erklärt Severiyos Aydin. Rund 200 Hilfsaktionen habe es bereits gegeben. Ebenfalls hat das Hilfswerk bereits fünf Kleidertransporte aus der Schweiz nach Syrien und in den Nordirak durchgeführt. Eines ist dem Baarer mit aramäischen Wurzeln dabei besonders wichtig: «Wir fliegen keine Schweizer Teams ein, sondern helfen vor Ort mit den bestehenden Ressourcen.» So hat man in Zusammenarbeit mit der Syrisch-Orthodoxen Kirchengemeinde von Meskeneh in Syrien im August 2017 eine Schule für 200 Kinder und Jugendliche eröffnen können. Ebenfalls wurde zur selben Zeit in Aleppo ein Bildungszentrum für 150 Personen eröffnet, und im Nordirak wird seit drei Jahren ein Kindergarten unterstützt. «Vor einem Monat konnten wir zudem ein Pflegezentrum für 50 Menschen mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung eröffnen», erklärt Aydin, der selber alle zwei bis drei Monate ins Krisengebiet reist. Dies sei oft mit einem hohen Risiko verbunden, denn Entführungen und Angriffe sind in den Gebieten an der Tagesordnung. «Wir arbeiten jedoch mit vertrauenswürdigen lokalen Partnern zusammen und können inzwischen auf mehr Unterstützung von Hilfsorganisationen vertrauen als früher», so Aydin. Das grösste Problem sei nach wie vor die Armut.

Spender können sehen, wo Hilfsgüter eingesetzt werden

Aktuell engagiert sich das Hilfswerk für die Häuserrenovationen von zurückgekehrten Familien und unterstützt rund 600 Studenten in Homs und Aleppo mit Stipendien. «Aramaic Relief» finanziert sich durch Spenden und Gönnerbeiträge. «Spenden werden zu 100 Prozent im Krisengebiet eingesetzt, während mit Gönnerbeiträgen Spesen und Kosten gedeckt werden», erklärt der Baarer. Auf Social Media können die Spender mitverfolgen, wo genau die Hilfsgüter eingesetzt werden. Zudem werden Facebook und Twitter verwendet, um auf die unterdrückten Minderheiten aufmerksam zu machen. Mit Reden im EU-Parlament, vor der Schweizergarde in Rom sowie beim Weltkongress im Washington bringt Severiyos Aydin die Thematik auf die politische Ebene. «Es braucht den Dialog», ist er überzeugt. Von Laura Sibold

DIE REALITÄT IST KEIN FILM 05.02.2018 Zuger Zeitung

DIE REALITÄT IST KEIN FILM
ZUG ⋅ Die Hilfsgesellschaft ARAMAIC RELIEF International hat im Burgbachsaal das 5-Jahr-Jubiläum gefeiert. Im Sinne der Nächstenliebe hilft sie Minderheiten und den Ärmsten in Kriegsgebieten. Das wurde anschaulich gezeigt.

Es herrscht eine gespenstige Stimmung: Steinbrocken eingestürzter Häuser liegen in den Strassen. Es ist wie in einem Kriegsfilm – mit dem Unterschied, dass es diesen Ort gibt und er nicht einem inszenierten Bühnenbild entstammt.

Severiyos (32), der Gründer des Hilfswerks Aramaic Relief International aus Baar, befindet sich auf einer Strasse, irgendwo in Aleppo. Sein Blick und seine Gesten lassen erahnen, wie es sich anfühlt, an solch einem Ort zu stehen, ohne Worte zu finden. Seine Begleiter hielten die bewegenden Momente mit der Kamera fest. Am Samstagabend wurde der selber produzierte Dokumentarfilm im Burgbachsaal Zug gezeigt. Rund 100 Leute folgten der Einladung zur Feier anlässlich des fünfjährigen Bestehens des Hilfswerks.

Severiyos Aydin entstammt einer christlichen, aramäischen Minderheit aus einer Region der Südosttürkei. Mit dem Kriegsbeginn in Syrien im 2011 musste er feststellen, dass sich fast niemand um die verfolgten Minderheiten kümmerte: «Ich wollte helfen, hatte jedoch keinerlei Erfahrung auf diesem Gebiet», erinnerte er sich. 2013 gründete er die genannte Hilfsorganisation, die heute aus sechs Vorstandsmitgliedern besteht. «Wir helfen dort, wo die Not am grössten ist. Unsere Organisation hat keinen grossen Verwaltungsapparat. Wir sind transparent. Die Spender und Gönner können verfolgen, wo die Hilfe und somit ihr Geld eingesetzt wird», erklärt der Gründer.

Das Erfolgskonzept besteht in der Hilfe vor Ort. Severiyos Aydin und sein Team verfügen inzwischen über ein grosses Netzwerk. «Wenn ich in die Kriegsregion reise, übernachte ich nicht in Hotels, sondern bei Leuten vor Ort.» Der 32-Jährige muss viel aushalten und verarbeiten können. Durch die Nähe zu diesen Menschen, erfährt er deren Schicksale, vernimmt schlimmste Tragödien. «Ich kann das verarbeiten, indem ich helfe.»

Die sozialen Medien nutzen
Aydin ist stolz und dankbar, mit seiner Hilfsorganisation rund 180000 Menschen in den Krisengebieten in Syrien und im Nordirak erreicht zu haben. Das Konzept konnte die Hilfsgesellschaft inzwischen auch im Südsudan anwenden. Ein Meilenstein für ihn waren die Rede vor dem Europäischen Parlament und der Besuch bei der Schweizergarde in Rom. «Um auf die geplanten Aktionen aufmerksam zu machen, greifen wir auf soziale Medien zurück», erklärte der Baarer.

Aktuell werden Notbedürftige mit Grundnahrungsmitteln und mit warmen Decken versorgt. Wohnungen werden renoviert und Seelsorger für die traumatisierten Kinder organisiert. Der Gründer berichtete: «Die Lebenserwartung der Menschen, insbesondere der Kinder, hat stark abgenommen. Eine ansonsten harmlose Krankheit kann bereits zum Tod führen.» Die Hilfe besteht darum auch in der Beschaffung von Medikamenten oder der Bezahlung von dringenden Operationen.

Im Dokumentarfilm wurden auch schöne Momente festgehalten. Eine Aktion zeigte Kinder, die in Superheldenkostümen kranken Kindern Süssig­keiten verteilen. Lachende und tanzende Kinder waren zu sehen. «Trotz den Widrigkeiten haben die Menschen vor Ort die Freude und das Lachen nicht verloren», berichtet Aydin. Ein Grund mehr für ihn und die weiteren Mitglieder des Hilfswerks, mit ihrer Arbeit weiterzumachen: «Das war erst der Anfang», sagt er.